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Es braucht mehr “#DETOX Champions”!

Es braucht mehr “#DETOX Champions”!

November 4, 2016APEOgreenpeaceImprägniermittelpfcRotauf2989Views1Comment
Source https://www.youtube.com/watch?v=Q-lYFsLShOs

Was? Schon wieder neue Gifte? Wo? In meiner Jacke?

Kann das sein? Wieso wird, nachdem die Gefährlichkeit einer Substanzklasse bekannt ist, nicht sofort gehandelt? Woher nehmen sich die grossen Outdoor-Kleidungshersteller das Recht unseren Planeten zu verseuchen? Was ist dran an dieser unsichtbaren Gefahr und was kann man als Konsument machen um ein Zeichen zu setzen? Um einige Antworten zu finden haben wir ein Interview mit Oliver Gross von Rotauf geführt.

MyTreeTV: Hallo Oliver, wer bist Du und was machst Du bei ROTAUF?

Privat bin ich begeisterter Outdoorsportler und viel am klettern oder Skitouren im Winter. Beruflich habe ich Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich studiert und bin seit 3 Jahren in der Outdoorbranche tätig. Seit gut einem Jahr bin ich bei Rotauf und dort für die Nachhaltigkeit und das Produkt-Management verantwortlich.

https://vimeo.com/174372761

Der Film wurde von Oliver mit seinen Freunden gemacht.

Für GreenPeace gehört ROTAUF zu den wenigen sogenannten “DETOX CHAMPIONS” wie ist es dazu gekommen?

Für meine Bachelorarbeit an der ETH Zürich habe ich untersucht, was Rotauf alles tun muss um “Detox Champion” zu werden. Zusammen mit Greenpeace haben wir im Rahmen der Greenpeace Detox Kampagne verschiedene Massnahmen erarbeitet, damit ROTAUF noch umweltfreundlicher produzieren kann. Zu diesen Massnahmen zählen unter anderem der Verzicht auf über 435 schädliche Chemikalien, das Aufbauen eines Recyclingprogramms und Schaffung von Transparenz mit Hilfe von Tests unserer Stoffe durch unabhängigen Labors. Diesen Sommer sind wir dann offiziell der Greenpeace Detox Kampagne beigetreten. Damit haben uns verpflichtet, diese Massnahmen bis 2020 umzusetzen. Zudem werden wir nun von Greenpeace jedes Jahr aufs neue überprüft, ob wir die Vorschriften und Massnahmen auch genügend schnell umsetzen. Alle Massnahmen sind auf unserer Homepage unter dem Punkt Detox Commitment zu finden.

Mit den Begriffen “PFC” und “APEOS” können die wenigsten Leute etwas anfangen. Um was geht es bei diesen Stoffen und warum sind sie schädlich?

PFC ist die Abkürzung für Per und Polyfluorierte Chemikalien. Diese Chemikalien haben wunderbare Eigenschaften. Zum Beispiel verhindern sie, dass ein Stoff Wasser aufsaugt oder schnell dreckig wird. Deshalb werden PFC bei praktisch allen Textilien eingesetzt: Vom Teppich über die Sitze in einem Auto bis hin zur Outdoor-Bekleidung. In der Outdoor-Bekleidung werden PFC vorallem für Imprägnierungen verwendet. Imprägnierungen braucht man in erster Linie um den Tragekomfort von Outdoorbekleidung zu steigern indem man verhindert, dass sich ein Stoff mit Wasser vollsaugt. Gerade in Extrem-Situationen kann dies sehr wichtig sein. Zwei Beispiele wieso das wichtig ist: Erstens, wenn man durch hohes, vom Nebel feuchtes Gras läuft, wird ohne Imprägnierung die Wanderhose ganz feucht. Dies kann vorallem mit ein bisschen Wind sehr unangenehm sein, der Tragekomfort sinkt. Die Imprägnierungen verhindern genau dies: das Wasser kann nicht an den Fasern der Hose haften, die Hose bleibt also trocken und angenehm zu tragen. Ein zweites Beispiel: Bei wasserdichten Jacken soll mit den Imprägnierungen ebenfalls verhindert werden, dass der äussere Stoff der Jacke Wasser aufnimmt. Denn würde sich der Stoff der Jacke mit Wasser vollsaugen, würde die Atmungsaktivität der ganzen Jacke stark vermindert werden und der Schweiss könnte nicht mehr so gut nach aussen transportiert werden. Die Folge wäre wieder ein sinkender Tragekomfort. Aus diesen Gründen sind Imprägnierungen nicht wegzudenken. Aber Achtung: mit der Wasserdichtigkeit von Jacken, Hosen usw. haben Imprägnierungen und damit auch PFC nichts zu tun. Trotz einer sehr guten Imprägnierung drückt das Wasser nach einer gewissen Zeit durch den Stoff durch und man würde nass werden. Deshalb braucht es bei wasserdichten Textilien zusätzlich zur Imprägnierung immer noch eine Membran oder eine Beschichtung.
Schädlich sind PFC vorallem, weil sie künstlich erzeugte Stoffe sind, die ein hohes Gefährdungspotential haben. Da die Natur PFC nicht kennt, gibt es auch keine Abbaumechanismen für diese Stoffe. Dadurch häufen sich PFC in der Natur und auch in unserem Trinkwasser immer weiter an. Greenpeace hat mit einer Weltweit angelegten Studie zeigen können, das PFC wirklich überall zu finden sind, auch in ganz abgelegenen Regionen.

Nun zu den APEOs: APEO ist die Abkürzung für Alkylphenol Etoxylate. Auch diese Gruppe von Chemikalien wird sehr häufig eingesetzt für ganz viele verschiedene Anwendungen. In der Textilindustrie werden APEO häufig verwendet als Reiniungsmittel, Bestandteil von Färbemitteln und in Klebstoffen. Wie PFC häufen sich auch die APEO’s in der Umwelt an und sind überall zu finden, auch im Trinkwasser und im Blut von praktisch jedem Menschen.

Wie gefährlich sind sie?

Wie bei allen Dingen ist es eine Frage der Menge, wie gefährlich PFC oder APEO’s sind. Auf einer normalen Jacke sind relativ kleine Mengen von PFC bzw. APEO’s eingesetzt. Durch das Tragen einer PFC- und APEO-haltigen Jacke oder Hose wird man mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit nicht krank.
Man konnte allerdings durch wissenschaftliche Studien belegen, dass grössere Mengen von PFC für den Menschen schädlich sind. Grössere Mengen von PFC nehmen vorallem Menschen auf, welche in einer Fabrik arbeiten, in der PFC herstellt werden oder in unmittelbarer Nähe zu einer solchen Fabrik wohnen. Zudem erreichen die PFC-Werte im Trinkwasser gewisser Industrie-Regionen z.B. in Deutschland schon den gesetzlich zugelassenen Grenzwert. Am meisten gefährdet bezüglich der Aufnahme von PFC sind Fabrikarbeiter in Länder mit schlechter gesetzlicher Grundlage, wie zum Beispiel in Asien. Arbeiter werden dort oftmals nur ungenügend geschützt.

Nun zur Eigentlichen Gefahr von PFC. Man kann wissenschaftlich belegen, dass PFC zu folgenden Störungen beim Menschen führen kann:

  • kann zu verschiedenen Arten von Krebs führen
  • Stört den Hormonhaushalt des Menschen
  • Stört das Immunsystem bei Kindern
  • Erhöht das Risiko von Schwangerschaftskomplikationen
  • Führt sehr wahrscheinlich zu Adipositas (Fettleibigkeit)
  • Verringern die Fruchtbarkeit der Frau usw.

Neben den Schäden am Menschen führen PFC zu ähnlichen Schäden auch bei Tieren und können so ein ganzes Ökosystem schädigen. Wie schon oben erwähnt lassen sich PFC nicht Abbauen. Somit nimmt der Schaden an der Umwelt immer mehr zu.

Bei den APEOs sieht es ein wenig anders aus. Über die Gefährlichkeit der APEOs weiss man noch nicht so viel, wie bei den PFC. Man ist sich allerdings ziemlich sicher, dass APEO’s an sich für den Menschen eher ungefährlich sind. Das Problem ist: Die APEOs in unserem Blut werden abgebaut. Die dabei aus den APEO’s entstehenden Chemikalien sind allerdings gefährlich für uns. Diese Abbauprodukte der APEO’s können wie Östrogen wirken und somit den menschlichen Hormonhaushalt stören und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.

Viele bekannte Marken sind offensichtlich noch nicht bereit auf PFC zu verzichten. Wie gross ist der Aufwand PFC-freie Outdoorbekleidung zu produzieren?

Der Aufwand ist leider ziemlich gross. Viele Marken haben hunderte von verschiednen Produkten. Viele Produkte bestehen dann zusätzlich noch aus unterschiedlichen Stoffen. Grosse Marken müssen also einen enormen Aufwand betreiben, um für alle diese Produkte und Stoffe eine PFC-freie Alternative zu finden. Dieser Aufwand ist teuer und braucht Zeit. Durch den öffentlichen Druck haben sich nun viele Marken schon dazu entschlossen, auf PFC zu Verzichten und diesen Aufwand auf sich zu nehmen. Dafür brauchen sie aber noch Zeit. Da Rotauf eine sehr junge Marke ist und seit Anfang an PFC-frei produziert, konnten wir uns diesen Aufwand der Umstellung sparen.

Was man bei dieser Frage auch noch erwähnen sollte: PFC verfügt auch über viele gute Eigenschaften. Es ist zusätzlich zur Wasserabweisung auch noch Schmutzabweisend, das heisst eine Jacke wird nicht so schnell dreckig. Die fehlende Schmutzabweisung bei PFC-freien Alternativen wird oft als Grund gebracht, nicht auf PFC zu verzichten zu können. Zudem sind PFC sehr günstig in der Anwendung.

Da Outdoorprodukte aus vielen Komponenten bestehen müssen all die einzelnen Rohstoffe untersucht werden? Wie geht ihr vor?

Rotauf ist eine eher kleine Marke, daher verwenden wir nicht allzuviele verschiedene Stoffe und haben daher nur wenige Zulieferer. Unser Hauptzulieferer ist die deutsche Firma Sympatex. Sympatex hat sich auf die Produktion von sehr umweltfreundlichen, wasserdichten Stoffen spezialisiert. Zusammen mit unseren Partnern bei Sympatex haben wir unsere aktuellen Stoffe getestet (auf unserer Homepage sind die Testberichte öffentlich einsehbar) und schauen nun wie wir die gefundenen Chemikalien noch rauskriegen. Dazu werden dann wieder Musterstoffe gemacht, die wieder getestet werden bis wir zufrieden sind. Dann geht das ganze dann in die Serienproduktion.
Da Aufgrund des Beitritts zur Greenpeace Detox Kampagne die Anforderungen an Transparenz und Chemikalieneinsatz nochmals angesteigen sind, mussten wir uns leider auch von einigen Zulieferern trennen. Allerdings haben wir mit Stotz Fabrics aus Zürich, Jenny Fabrics aus Ziegelbrücke, sowie den Färbereien Cilander AG aus Herisau und Johann Müller AG aus Strengelbach sehr gute neue Partner gefunden. Im Moment sind wir mit diesen Partnern gerade dran neue Stoffe zu entwickeln, welche den strengen Anforderungen der Greenpeace Detox Kampagne genügen.

Müssen die chemischen Analysen im Sinne der Transparenz von mehreren unabhängigen Labors durchgeführt werden?

Nicht unbedingt. Verschiedene Labors arbeiten meistens auch mit verschiedenen Testmethoden. Daher kann es sein, dass man dann unterschiedliche Ergebnisse des gleichen Stoffes bekommt. Für die Transparenz ist es viel wichtiger, dass publiziert wird mit welchen Testmethoden und welchen Grenzwerten getestet wird. Das erlaubt eine gute Interpretation der Resultate. Aus diesem Grund findet man auf unserer Homepage auch den Original Testbericht, sowie eine Zusammenfassung der Testmethoden und Grenzwerte.

Sind in den Imprägniersprays ebenfalls PFCs und APEOS enthalten?

In vielen Imprägniersprays sind PFCs enthalten, auch APEOs sind zu finden. Auf dem Markt sind aber schon viele PFC-freie Alternativen zu finden. Leider sind nicht alle diese Alternativen wirklich besser als PFC. Aus einer unabhängigen Studie von Schweden geht hervor, dass zum Beispiel PFC-freie Imprägnierungen mit Silikon statt PFC nicht wirklich umweltfreundlicher sind. Auch Imprägnierungen mit Dendrimeren statt PFC sind nicht zu empfehlen, da dort noch überhaupt nicht bekannt ist, wie sich dieser Stoff in der Umwelt verhält. Diese Studie kam zum Schluss, das im Moment eigentlich nur Paraffine als umweltfreundlicher Ersatz für PFC etwas taugen. Deshalb verwenden wir bei unseren Industrieimprägnierungen nur Paraffinbasierte Imprägnierungen und empfehlen unseren Kunden den Nikwax TX Direct Spray. Dieser Imprägnierspray beruht ebenfalls auf Paraffinen und enthält meines Wissens auch keine APEO.

Habt Ihr Essigsaure Tonerde als Imprägniermittel bei euren Produkten schon einmal getestet? Was sind die Erfahrungen?

Ich muss zugeben, dass ich Essigsaure Tonerde noch nicht kannte. Wir werden uns das auf alle Fälle genauer Anschauen!

Das Ziel dieser Kampagne ist es, bis 2020 alle heiklen Chemikalien aus der ROTAUF-Bekleidung draussen zu haben. Werdet Ihr dieses Ziel erreichen?

Wir werden selbstverständlich alles daran setzten bis 2020 unsere Ziele zu erreichen. Auf unserer Homepage wird der aktuelle Stand unserer Abklärungen ersichtlich sein. Falls es doch aus jetzt noch nicht vorhersehbaren Gründen zu einer kurzen Verzögerung bei der Umsetzung einiger Ziele kommen sollte, werden diese sofort transparent auf unserer Homepage publiziert.

Welches sind die nächsten Ziele von ROTAUF?

Das Umsetzen all dessen, was wir uns im Rahmen der Greenpeace Detox Kampagne vorgenommen haben;). Sicherlich werden wir auch an der Weiterentwicklung unserer bestehenden Artikel arbeiten, neue Farben einführen und vielleicht gibt es sogar noch das eine oder andere neue Produkt!

Besten Dank für das Interview.

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